Die Orgel

Rückblick: Die Wiegleb-Orgel von 1668/69

Nach den Wirren des 30-Jährigen Krieges gelangte der Orgelbauer Johann Wiegleb aus Pferdingsleben/Thüringen nach Heldritt. Das genaue Jahr ist nicht bekannt, die erste belegbare Zeitangabe finden wir durch den vom damaligen Pfarrer Kreuchauff initiierten Bau einer Orgel für die Heldritter Nikolauskirche in den Akten. Für Orgel-Liebhaber ist dies insofern interessant, da Johann Wiegleb, der 1683 eine Tochter aus dem adeligen Geschlecht derer von Heldritt ehelichte, der Stammvater der bekannten und später weit verbreiteten Orgelbauer-Dynastie Wiegleb war.

Die Orgel von 1668/69 hatte, zumindest nach späteren Umbauten, wahrscheinlich zwei Manuale und Pedal. Überliefert ist der nachträgliche Einbau eines Posaunen-Basses und eines Cymbelsterns in dieses Instrument. Probleme in der Mechanik, die schon bei Reparaturen im Jahr 1793 aufgefallen waren, ließen schließlich nach einer erneuten Instandsetzung 1847 auf Anraten der betreuenden Orgelbauer Hofmann/Neustadt allmählich den Entschluss reifen, dass ein neues Instrument angeschafft werden müsse.
Am Ende war die alte Wiegleb-Orgel fast 200 Jahre in Betrieb gewesen!


Die Friedrich Wilhelm Holland-Orgel von 1867

Spieltisch und Empore

Wohl aus finanziellen Gründen entschied man sich 1866 bei der Auftragsvergabe für den Neubau nicht für das Angebot der für ihre hochwertigen Instrumente bekannten Neustadter Orgelbauerfamilie Hofmann, sondern für eine Orgel der Firma Holland aus Schmiedefeld bei Suhl, die im gleichen Jahr auch die neue Orgel in Elsa aufgestellt hatte. Die Lieferung erfolgte im Jahr 1867. Das Instrument hatte 15 Register auf zwei Manualen und Pedal, zwei Register waren aus der Wiegleb-Orgel übernommen worden. Eigens für die neue Orgel wurde eine neue Empore im Ostchor eingezogen, so dass Altar und Orgel übereinander angeordnet waren. Bereits dreißig Jahre später gefiel dies den Heldrittern nicht mehr:

Gegen den Widerstand des sachkundigen Organisten und Kantors Heinrich Sorge und trotz Abratens des Rodacher Orgelbauers Herig wurde die Orgel auf Betreiben von Pfarrer Derks 1901 vom Orgelbauer Anton Hasselbarth aus Coburg abgebaut und auf die dafür verbreiterte obere Westempore mit ihrer geringen Raumhöhe versetzt. Wie der Orgelbauer die Raum-Probleme damals löste, und auf welche der ursprünglichen Register evtl. verzichtet wurde, ist nicht bekannt. Die von Wiegleb übernommene Gambe wurde durch ein neues Register ersetzt, ein Cornett 3-fach ab g0 kam neu ins Hauptwerk.

Der zur Verfügung stehende Raum über den Manual-Windladen betrug knapp 90 cm! Überliefert ist jedenfalls, dass auf Grund der katastrophalen Enge in der Orgel keine vernünftige Wartung und Stimmung mehr möglich war. Nach wenigen Jahren schon fehlten etliche kleine Pfeifchen aus dem Diskantbereich der Register. Das Urteil des Sachverständigen Schubert war vernichtend:
„..Die Hälfte der Töne … (spricht) … gar nicht mehr an und es ist mir unvorstellbar, wie auf dieser Orgel überhaupt ein Gottesdienst zu spielen ist! …“

Die Orgelbewegung hinterlässt ihre Spuren

Im Zuge einer Kirchenrenovierung in den 60-er Jahren wurde die (laut dem Sachverständigen KMD Schubert) mittlerweile „…völlig verwahrloste…“ Orgel im Jahr 1967 von der Firma Hoffmann/Ostheim zurück in den Chorraum transferiert. Diesmal stellte man sie auf den Fußboden. Die romantische Disposition änderte man im Sinne des damals aktuellen Ideals der „Orgelbewegung“ ab: Ersetzt wurden der Hauptwerks-Bordun 16´ durch Nasard 2⅔´, der bereits fehlende Geigenprinzipal 8´ im Obermanual durch einen Prinzipal 2´, und die Flöte 8´ des Obermanuals durch eine Quinte 1⅓´. Obwohl nun genügend Raum gewesen wäre, verzichtete man in der neuen Disposition weiterhin auf die Register Gambe 8´, Cornett und Violon 16´. An die Stelle des Violon trat eine aus “Restpfeifen” zusammengestellte Bassflöte 4-Fuß.

Zurück auf die niedrige West-Empore

Von 1986 bis 1988 wurde unter Pfarrer Kollmer die Nikolaus-Kirche grundlegend renoviert und verschönert: Der Chorraum sollte wieder nutzbar gemacht, die Orgel abermals versetzt und die fehlenden Register wieder ergänzt werden. Leider entschied man sich ein weiteres Mal für den früheren Standort zweite Westempore. Die Nachteile waren bekannt, denn bereits in seinem Gutachten vor der erneuten Versetzung hatte der Sachverständige KMD Hans Schmidt-Mannheim auf die klimatischen und akustischen Probleme des Standortes hingewiesen. Die Firma Hey, Urspringen, baute 1989 das Werk an seinen heutigen Platz.
Die auf Grund der Raumhöhe erfolgte „Verführung“ des 8-Fuß Prinzipals mit der zarten Gambe in der großen Oktave zu einer gemeinsamen Gedacktreihe waren Ursache für die fehlende „Gravität” des Klanges.

Nach einer wegen starken Schimmelbefalls notwendigen Ausreinigung im Jahr 2000 begann eine Erweiterung und klangliche Verbesserung des Instruments unter der Federführung des Kantors und Organisten Hans-Jürgen Hofmann. Die Bassflöte 4-Fuß war am stärksten verschimmelt, sie wurde durch eine passend intonierte Octave 4-Fuß aus Metall ersetzt. Nach eingehendem Quellenstudium kam die Vermutung auf, dass die verschimmelten Bass-Pfeifen aus der Manualflöte 8-Fuß der alten Wiegleb-Orgel stammen könnten, die seinerzeit von Holland übernommen worden war. Genaue Untersuchungen der typischen Werkstatt-Merkmale ergaben aber, dass die Pfeifen leider keine Wiegleb-Originale waren, sondern aus einer Flauto amabile 8´ der Orgelbauer-Werkstatt Hofmann stammten, die das – wahrscheinlich bereits bei der Reparatur von 1847 schadhafte – Wiegleb-Register ersetzt hatte.
Das Pedalwerk bekam eine eigene Windversorgung und eine Posaune 16-Fuß auf einer Zusatzlade hinter dem Gehäuse, das Oberwerk einen französisch timbrierten Dulcian 8-Fuß und das Hauptwerk eine zusätzliche 8-Fuß-Trompete per Unterschleife ins Untergehäuse. Der Prinzipal 8’ wurde um die große Oktave ergänzt, die ins Untergehäuse abkonduktiert wurde. Darüber hinaus wurde das Oberwerk noch um einige typisch romantische Register erweitert. Diese Maßnahmen erforderten genaueste Planung und teils ungewöhnliche Problemlösungen, da trotz der räumlichen Enge immer gerade noch ausreichend Platz zum Stimmen und zur Wartung verbleiben musste. Mit dem Einbau eines romantischen Borduns 16’ mit Extension eines 8’ Bordun-Registers, der gleichzeitig als Basis für die große Oktave des als Kombinationsregister fortgeführten Violon 16’ dient (Extension aus Cello 8’), ist die Erweiterung nunmehr abgeschlossen. Die finanziellen Mittel wurden zum großen Teil durch private Spenden aufgebracht, die Versorgung der Orgelbauer vor Ort ebenfalls Familienintern geregelt.
Ausführende waren die Orgelbaufirmen Gerhard Schmid, Kaufbeuren (2000-2002) und OBM Jörg Stegmüller aus Wilhelmshorst (2003-2013), Sachverständiger war KMD Roland Weiss.

Hinterwerk

Hinterwerk (abgeräumt)
Die Obermanual-Lade mit neuem Dulcian (links zu sehen)
noch vor der endgültigen Erweiterung
Die abgeräumte Obermanual-Lade
mit den Zusatz-Schleifen

Pedal

Posaune an der Rückwand Trompete
Pedallade mit “neuer” Bass-Oktave 4-Fuß Posaune an der Rückwand HW-Trompete ins Untergehäuse
abkonduktiert